Neuseeland

Autounfall, aktive Vulkane und Bruchbuden – Die Nordinseltour

Mittags erreicht unsere Fähre endlich die Hauptstadt, aber diesmal wollen wir nur schnell etwas einkaufen und dann geht’s weiter.

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Unser Ziel für die nächsten Tage ist der Taranaki, ein 2518m hoher Vulkan, im Westen der Nordinsel. Auf dem Weg halten wir mal hier und da, aber wirklich was Erwähnenswertes gibt es nicht. Schnell wird klar, dass wir den Taranaki nicht innerhalb eines Tages erreichen werden, aber wir haben Zeit…taranaki1
Kurz bevor es dunkel wird, taucht er plötzlich aus den Wolken auf… boah, ist der hoch, denken wir uns. Und da wollen wir wirklich rauf?
Schon am nächsten Morgen stehen wir am Visitor Centre, mit unserem Gepäck auf den Rücken und sind Abmarsch bereit. Es regnet in strömen, der Gipfel ist nicht zusehen, an eine Besteigung ist also nicht zu denken, deshalb haben wir uns kurzer Hand zu einem 25 Kilometer langen Rundweg entschieden. Trotz des Regens sind wir total „happy“ und machen uns auf den Weg… Niemand ist unterwegs, alle bleiben anscheinend lieber zu Hause – ich kann sie verstehen! Nach wenigen Metern fängt der Trail an zu klettern, stetig geht es bergauf… Durch den starken Regen haben sich überall auf dem Weg Rinnsäle und Pfützen gebildet. Je höher wir kommen, umso schlimmer wird es! Schließlich macht es durchgehend nur noch „platsch, platsch, platsch“, taranaki2bei jedem Schritt treten wir in eine Pfütze oder Ähnliches. Zum Glück sind unsere Schuhe wasserdicht! Aber trotz des schlechten Wetters ist der Track echt cool und macht eine Menge Spaß! Nur zwei Mal müssen wir genauer aufpassen: Kurz nachdem wir einen Bach überquert haben und der Weg sich um eine Kurve windet, ist plötzlich nichts mehr vom Weg vorhanden… ein ganz schönes Stück des Weges ist wohl durch den Regen abgerutscht, aber an umdrehen ist nicht zu denken. Wir klettern etwas oberhalb des Rutsches durchs Gestrüpp – weiter geht’s! Ein paar Kilometer weiter sind einige große Felsen runtergekommen und haben eine kleine Brücke komplett aus ihrer Verankerung gerissen, aber auch dieses Problem hält uns nicht auf.
Am frühen Abend erreichen wir schließlich unsere Berghütte, in der wir die Nacht verbringen wollen. Zu unserer Überraschung sind hier schon tatsächlich ein paar andere Leute… Deutsche…natürlich! Gemütlich sitzen wir alle zusammen am Feuer und quatschen, bis es dunkel wird.
Am nächsten Tag geht es weiter, es hat zwar aufgehört zu regnen, aber der Weg ist komplett unter Wasser… taranakiwaldirgendwann halten selbst unsere wasserdichten Wanderschuhe es nicht mehr aus, langsam wird es immer feuchter an den Füßen. Der Weg klettert noch mal etwas, ehe er dann im dichten Busch verschwindet. Ab hier wird es etwas langweiliger, wir sind eher damit beschäftigt auf den matschigen Boden nicht auszurutschen. Gegen Mittag erreichen wir dann wieder das Visitor Centre, endlich können wir uns trockenlegen und etwas ausruhen.
Ein Stück entfernt schlagen wir auf gut 800m unser „Base Camp“ auf, denn morgen soll es so weit sein! Der Wetterbericht verspricht gutes Wetter und das wollen wir natürlich gleich ausnutzen, um den Gipfel zu besteigen.
Morgens um 6 klingelt der Wecker, ein kurzer Blick aus dem Zelt verrät uns, der Wetterbericht hatte mal wieder Unrecht… wolkig, hier und da mal ein Schauer… na toll!
Na ja, ein Tag Ruhe für die müden Beine ist auch nicht schlecht.
Doch am nächsten Tag ist der Himmel wolkenlos, es ist windstill und nicht zu kalt. Um kurz vor sieben, die Sonne ist gerade aufgegangen, laufen wir wieder los. Laut Hinweisschild muss man 8-10 Stunden einplanen, um hin und zurück zu laufen. Die ersten Kilometer sind noch nicht all zu steil und bringen uns zu einer kleinen Lodge auf ca. 1500m, von hier sind es nur noch gut 2,5km, aber wir müssen noch rund 1000 Höhenmeter überwinden… Ab jetzt ist der Weg nur noch durch Stangen gekennzeichnet und man muss sich mehr oder weniger selbst den Weg suchen. Zunächst führt der Weg noch durch ein „Valley“, aber danach wir es wirklich steil und anstrengend. Die Baumgrenze liegt schon ein ganzes Stück hinter uns und vor uns liegt ein riesengroßes Geröllfeld. Am Anfang laufen wir noch langsam und nach vorne gebeugt, aber mit zunehmender Höhe wird es immer steiler… schließlich wird aus dem laufen eher ein krabbeln… irgendwann ist an laufen gar nicht mehr zu denken! Schon bei dem versuch sich aufzurichten, rutscht wir weg auf dem losen Schotter und landet wieder auf allen Vieren.
Am Ende des Geröllfeldes warten noch mehr Steine, doch diesmal sind es große Steine… klettern ist angesagt – eine wirklich willkommene Abwechslung!
taranakikraterFast eine Stunde klettern wir, bis wir schließlich den Vulkankrater erreichen. Seit einigen hundert Jahren ist der Taranaki nicht mehr ausgebrochen, trotzdem ist es merkwürdig durch den noch mit Schnee gefüllten Krater zu laufen, aber auch irgendwie cool. Vom Inneren des Kraters ist es nur noch ein kurzer „Climb“ zum Gipfel… Die Sicht von da oben ist einfach nur atemberaubend! Es sieht aus als wäre man im Flugzeug, aber hier ist kein Flugzeug weit und breit. Die Wolken liegen uns zu Fußen und über uns liegt nur noch der wolkenlose, hellblaue Himmel! Hier oben fühle ich mich wirklich frei, alle Sorgen sind vergessen und all die Anstrengungen sind vergessen!

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Gut eine Stunde verbringen wir auf dem Gipfel, ehe wir uns an den Abstieg machen.
Das Klettern über die großen Steine ist noch in Ordnung, aber das Geröllfeld wird zu einer einzigen Rutschparty! Immer wieder landen wir rücklings auf den Steinen, aber irgendwann ist auch das geschafft. Der Rest des Weges ist ein Kinderspiel und so erreichen wir nach insgesamt nicht mal sechs Stunden wieder unser Auto am Visitor Centre.
Das war echt ein klasse Erlebinis!

Unser nächster Punkt auf unserer Liste ist das „Tongariro Crossing“, der Touristenmagnet in der Mitte der Nordinsel ist nur ausgezeichnet von der „UNESCO“, sondern wurde auch durch die „Herr der Ringe“ Filme bekannt.
Das „Crossing“ ist ein 19 Kilometer langer Wanderweg, durch Gebiet mit sehr starker vulkanischer Aktivität. In den letzten Jahren kam es in dieser Gegend immer wieder zu Vulkanausbrüchen.
Früh am Morgen setzt sich die Meute in Bewegung, alle Formen von Wanderern sind vertreten… ich fühle mich ein wenig wie auf einer Pilgerfahrt – überall sind Touristen.
Nachdem der Weg sich schon eine ganze Weile nach oben gewunden hat, stehen wir am Fuße von Ngauruhoe, wie auch immer man das ausspricht. Er ist der dritthöchste Punkt auf der Nordinsel, nur der Taranaki und ein anderer mtnqVulkan sind höher. Natürlich wollen wir auch auf diesen klettern, dafür nehmen wir ruhig einen Umweg in Kauf. Es gibt keinen wirklichen Weg nach oben und man muss sich seine Route selbst suchen, aber ein paar Trampelpfade machen es uns einfacher, den richtigen Weg zu finden. Es ist wieder eine Mischung aus klettern, krabbeln und rutschen, immer wieder lösen sich ein paar Steine, die dann in die Tiefe rauschen, aber nach gut einer Stunde stehen wir auf dem Gipfel. Leider ist es so unglaublich windig, dass wir kaum am Kraterrand stehen können und so machen wir uns schnell wieder auf den Rückweg.
Auch der nächste Gipfel, der des Mt. Togariro, ist unser! Hier kann man zum Glück recht einfach hoch wandern und somit dauert der Umweg diesmal nicht ganz so lange.
Danach folgt ein sehr beeindruckender roter Krater, ein paar grün, gelbe Seen (Emerald Lakes) und zu guter Letzt der große „Blue Lake“. Dies sind die Hauptattraktionen auf dem Weg und sind umringt von Touristen, wir machen schnell unser obligatorische Foto und laufen weiter.

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Doch am „Blue Lake“ ist Schluss, hier haben wir knapp über die Hälfte des Weges hinter uns, aber auch schon alle Attraktionen. Von jetzt an würde sich der Weg nur noch durch den Wald nach unten winden, zum Parkplatz. Von diesem Parkplatz müsste man dann mit dem Bus zurück zum Ausgangspunkt. Das wollen wir uns sparen und drehen deshalb um und laufen zurück, kaum noch Menschen sind zu sehen… alle sind schon weiter gezogen. Endlich hat man Zeit, alles ein wenig mehr zu genießen. Nachdem wir über acht Stunden unterwegs waren, erreichen wir nach insgesamt ca. 25 Km unser Auto.
Jetzt brauchen wir erstmal ein wenig Pause vom Wandern!

Als nächstes besuchen wir einen Thermalpark zwischen in der Nähe von Taupo. Hier gibt es „blubbernde“ Schlammlöcher, bunte Seen, Schwefelgeruch und eine Menge Dampf. Viel dazu berichten kann ich leider nicht, aber guckt euch einfach selbst die Fotos an… mir hat es auf jeden Fall gefallen!

matsch thermalpark1 thermalpark2 thermalpark3

Weiter geht es nach Napier, hier treffen wir noch mal Finias Gastfamilie, samt Großeltern, ehe wir weiter zum Lake Waikaremoana fahren.
Auch hier gehen wir etwas wandern, aber leider spielt das Wetter nicht so richtig mit…
Von dort geht es dann ums East Cape, wir haben uns sagen lassen, dass Neuseeland da noch so sei wie früher. Mag sein… viel gesehen haben wir leider nicht, denn das Wetter war auch hier eher bescheiden.
Schließlich erreichen wir Whakatane, dort bleiben wir noch vier Tage… Finias Gastfamilie ist nicht da und hat uns das ganze Haus überlassen. Endlich haben wir etwas Ruhe und können uns entspannen.
Leider hatte ich mir eine Erkältung eingefangen und so viel die Tour auf White Island, einer aktiven Vulkaninsel muschelnwhaleislandleider für mich ins Wasser. Nur von der Wanderung von Whakatane nach Ohope ließ ich mich nicht abbringen. Das Highlight dieser kurzen Wanderung ist nämlich eine kleine, verlassene Bucht, in der man nicht nur gut schwimmen kann, sondern auch Paua Muscheln finden kann. Das war echt ein schöner kleiner Ausflug!

Von Whakatane geht es weiter in Richtung Northland (alles oberhalb von Auckland), doch unsere Pläne änderten sich schnell…
Am Morgen hatten wir Auckland passiert und waren nun auf dem Weg zu den Waipu Caves. Leider waren hier viele Schüler, ein Schulausflug… Trotzdem kletterten wir durch die Höhle und bestaunten die vielen Glühwürmchen.
Von der Höhle zurück zum Highway führt nur eine Schotterstraße… nachdem ich den ganzen Morgen gefahren bin, übernimmt Finia jetzt das Steuer.
Die Straße windet sich hin und her, zum Teil sind die Kurven echt eng! Schneller als 50 können wir eh nicht fahren…
In einer scharfen Rechtskurve ist in der Mitte der Straße ein großes Schlagloch, Finia versucht es außen zu umfahren, leider schätz sie die Breite des Autos nicht richtig ein… wir kommen in den tiefen, losen Schotter am Straßenrand. Finia versucht noch wieder zurück zu kommen auf den festeren Schotter, aber es war zu spät! Das Auto bricht aus, ähnlich wie auf Schnee, unaufhaltsam steuert es auf den rechten Straßenhang zu, eine Steilwand… Hektisch reißt Finia noch das Steuer wieder rum und verhindert den Einschlag. Durch die hektische Lenkbewegung bricht das Auto noch mehr aus und unser Heck „überholt“ uns. Jetzt schießt das Auto auf den linken Straßenrand zu, ein recht steiler Abhang… Geistesgegenwärtig greife ich Finia, die nur noch verkraft da sitzt, ins Lenkrad und Autounfallversuche das Schlimmste zu verhindern… zu spät! Gerade aus fahrend, fliegen wir über die Abhangkante und bleiben dann abrupt stehen… eine Fahnpalme hält unser Auto auf, zu unserem Glück! Etwas weiter rechts oder links und wir wären geradewegs durch das Gestrüpp und wären bestimmt noch 20 Meter den Hang runter geschossen. Glück im Unglück also!
Nachdem wir aus dem Auto geklettert sind, wird uns klar, alleine kommen wir da nicht mehr raus… Abschleppdienst ist zu teuer, also laufen wir bis zum nächsten Bauernhaus, vielleicht können die uns ja mit ihrem Traktor rausziehen.
Eine junge Mutter machte uns die Tür auf und bat uns herein, wir bekamen eine Tasse Tee und etwas zu Knabbern. Sie telefonierte alle ihre Nachbarn durch, aber konnte leider niemanden erreichen. Nach zwei Stunden wollten wir schon aufgeben, doch zu unserem Glück kam dann doch noch jemand vorbei, der uns helfen könnte.
Schließlich stehen wir mit zwei Traktoren und drei Mann Verstärkung vor unserem Auto… wir buddeln ein bisschen und legen dann unserem Auto ein paar Ketten an, diese werden Außerdem am Traktor befestigt und dann geht’s los… laut dröhnend zieht der Traktor das kleine, rote Auto den Hang hinauf.
Nach einem kurzen Check stellen wir fest, dass der Motorraum noch heile geblieben ist, nur die gesamte Stoßstange ist hin. Zu unserer Verwunderung, springt er noch ohne Probleme an und somit bedanken wir uns bei unseren Helfen und machen uns auf den Weg in die nächste Stadt, nach Whangarei.
Ab jetzt ändern sich unsere Pläne fast im Sekundentakt… was machen wir jetzt… nach einem Besuch in der Werkstatt wird schnell klar, dass es sich nicht lohnt das Auto zu reparieren.
Also müssen wir das Auto günstig an irgendwen verkaufen, damit der daraus vielleicht noch was macht und wir es los sind… Wir fahren zu diversen Händlern, Werkstatten und Autoschraubern. Nur wenige wollen es kaufen… ein paar bieten uns 500 Dollar und einer sogar 800 Dollar (wir haben es gekauft für 2500). Den Deal können wir nicht ausschlagen und so sind wir schon am nächsten Tag wieder ohne Auto unterwegs…
Nur mit unseren Backpacks auf dem Rücken stehen wir wieder am Highway und halten den Daumen raus, immer in der Hoffnung, dass jemand stoppt.
Wir haben uns nämlich überlegt das verlorene Geld dadurch reinzuholen, in dem wir noch mal schnell eine Woche arbeiten… Innerhalb von wenigen Stunden hatten wir eine Jobzusage in Hastings zum Apfelpflücken.
Am ersten Tag schaffen wir es bis nach Taupo zu kommen, hier kommen wir spät abends an… es ist schon dunkel. Zum Glück kennen wir uns hier schon aus und so finden wir auch den Weg zur „free campsite“ ohne Probleme.
Am nächsten Tag erreichen wir dann auch recht früh schon Hastings… Unser neuer Job hat uns eine Unterkunft empfohlen, wo wir wohnen könnten, denn in Hastings ist alles restlos ausgebucht… überall Backpacker die hier (versuchen zu) arbeiten.
Doch als wir die Unterkunft in Augenschein nehmen, fallen wir fast vom Glauben ab! Eine derartige Bruchbude haben wir noch nie gesehen!
Es stinkt, überall liegt Müll, Geschirr und Ähnliches… die Sofas sind komplett aufgeschlitzt und essen müssten wir an einem Plastikgartentisch, drinnen. Als wir dann in unserem Zimmer stehen, wir es nur noch schlimmer… Es ist so klein, dass hier gerade mal unser Doppelbett reinpasst, es ist so gut wie kein Platz für unsere Rucksäcke… als wir dann noch erfahren, dass wir nicht mal Bettwäsche bekommen reicht es uns! Wir verlassen gefrustet die Unterkunft und wollen uns eine andere suchen.
Dafür brauchen wir aber Internet und das findet man eigentlich immer in der Bücherei, eigentlich… nur in Hastings hat die Bücherei kein WLAN.
Nach einigen Telefonaten finden wir doch noch eine Unterkunft, aber wir müssen draußen in unserem Zelt schlafen.
Doch als wir in der Unterkunft ankommen wollen wir eigentlich auch gleich wieder umkehren, leider ist der Tag schon zu weit voran geschritten. Die Unterkunft ist komplett überfüllt, nicht nur drinnen, nein, auch draußen… dicht an dicht stehen hier Zelte. Alles ist eklig dreckig und es sieht so aus, als würde hier seit Jahren nichts mehr gemacht werden… warum denn auch, die Backpacker kommen doch eh!
Als wir dann noch erfahren, dass wir 22 Dollar pro Person bezahlen sollen, fallen wir erstrecht vom Glauben ab… so teuer war nicht mal der schickste Campingplatz auf dem wir bis jetzt waren (zum Vergleich ein Bett im Hostel gibt es in Neuseeland in der Hochsaison schon ab 20 Dollar, in Auckland ab 25 Dollar).
Total gefrustet schmeißen wir jetzt alle unsere Arbeitspläne über Bord und entscheiden uns kurzer Hand am nächsten Tag nach Opotiki zu trampen und dort in einem netten, kleinen Hostel unsere letzten Tage in Neuseeland zu verbringen.
Und hier bin ich nun… morgens frühstücke ich mit Meerblick, mittags fahre ich Kajak oder schwimme im Meer und abends guck ich mir den Sonnenuntergang an.sunsetopotiki
Bis Samstag sind wir noch hier, dann geht es wieder in Richtung Auckland, ehe wir Neuseeland dann am Dienstag verlassen.

Ps. Mein Smartphone ist auch kaputt… fast alle Nummern, Nachrichten usw. sind weg.

Gesamtreisekilometer: 81694

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Südinsel – Tour

Ein paar Tage dauerte es noch, dann war es endlich geschafft! Nur eine handvoll Pflücker sind bis zum Ende übrig geblieben und wir sind zum Glück auch dabei!

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Zwei Nächte bleiben wir noch in unserer Unterkunft, um unsere Sachen zusammen zu sammeln und dann geht es los. Zusammen mit ein paar Freunden von der Arbeit fahren wir zunächst nach Dunedin. Viel gibt es hier wirklich nicht zu sehen, außer vielleicht die steilste Straße der Welt… aber wir nutzten den Aufenthalt, um ein wenig zu shoppen und einzukaufen. Auch der Besuch auf der Otago Halbinsel war eher etwas enttäuschend, also ging es recht schnell weiter in Richtung Süden.
Unseren nächsten Stopps sind kleine Orte, mit den sonderbaren Namen Kaka Point und Nugget Point. Wirklich viel zu sehen gibt es auch hier nicht… aber Robben lassen sich überall bestaunen. Theoretisch könnte man hier auch nugget pointPinguine beobachten, aber wir hatten leider kein Glück. Das einzig Sehenswerte war der kleine Spaziergang zum Leuchtturm von Nugget Point, von hier hat man einen schönen Blick über die vorgelagerten Felsformationen und auf unzählige, spielende Robben.
Auch hier hält es uns nicht lange und wir fahren weiter an der Südküste… viel slope pointErwähnenswertes gibt es leider auch hier nicht. Naja, vielleicht, dass wir am südlichsten Punkt der Südinsel waren, aber was Besonderes gibt es hier auch nicht.
Auch Invercargill einer der größten Städte auf der Südinsel hat nichts zu bieten…
Der nächste interessante Stopp ist ein kleines Kaff namens Clifden. Hier gibt es eine fast 400 Meter lange Höhle, durch die man kostenlos und ohne Guide klettern darf. Das klingt aufregend denken wir uns und kommen abends zu Höhleneingang, wir sind die einzigen, die hier sind. Schnell setzten wir unsere Kopflampen auf und machen uns auf den Weg. Der Weg ist markiert, aber keinen falls einfach. Wir krabbeln und klettern zwischen den Steinen hindurch, gelegentlich halten wir inne, schalten unsere Lampen aus und bestaunen die unzähligen Glühwürmchen. Nach fast 45 Minuten stehen wir vor einem Problem, es ist hüfttief und kalt… wir stehen vor einen Unterwasserpool. Es bleibt also nichts anderes übrig, als unsere Schuhe auszuziehen und durch zu waten. Danach folgen noch zwei weitere und dann ist es geschafft! Nach gut einer Stunde sind wir am Ausgang der Höhle angelangt. Draußen wartet dann ein unglaublich schöner Sternhimmel auf uns, ehe wir uns von unseren Freuden verabschieden und ins Zelt kriechen.
Am nächsten Morgen fällt uns zum wiederholten Male auf, dass unserem Reifen etwas Luft fehlt… der nächste Stopp ist dann also wieder mal die Werkstatt, das Problem kennen wir ja schon aus Kanada. Dort wird uns dann erzählt, dass wir uns einen Nagel in den Reifen gefahren haben… nachdem das Loch geflickt wurde, geht es für uns weiter nach Fjordland.
Für die ca. 125 Kilometer lange Straße von Te Anau zum Milford Sound brauch man gut zwei Stundmilforden, ohne Stopps. milford2Für uns ist sie die bis jetzt schönste in Neuseeland gewesen! Um uns herum ragen die Berge in die Höhe und neben uns fließen glasklare Bäche… Hier ist das Land noch weitgehend unberührt. Immer wieder Stoppen wir, um uns etwas anzugucken oder um einfach nur die Landschaft etwas zu genießen. Das einzige Problem sind die vielen Touristen, die sich hier tummeln. Wie eine Plage fallen sie morgens ein und nachmittags sind sie wieder verschwunden. Unzählige Busse rollen in Richtung Milford Sound um die berühmte Bootstour dort zu machen, wir milford3sparen sie uns…milford4
Drei Tage bleiben wir im Fjordland Nationalpark, bevor wir wieder zurück fahren nach Te Anau.
Hier treffen wir uns mit drei Freunden, die wir in Nelson kennengelernt hatten. Nach gut drei Monaten hatten wir uns einiges zu erzählen!
Doch an ausruhen und plaudern ist nicht wirklich zu denken, denn wir wollen zusammen den Kepler Track laufen. Dieser Track gehört zu den vermeintlich besten Wanderwegen in Neuseeland und ist somit auch ziemlich ausgebucht, aber zum Glück hatten wir uns schon zwei Monate vorher unsere Übernachtungsplätze gesichert.
Der Track ist insgesamt 60 Kilometer lang und dauert 3-4 Tage… wir nehmen die entspanntere Variante von vier Tagen.
Der erste Tag war eher ein kleiner Waldspaziergang zum Aufwähren. Gut vier Stunden durch den Wald, ohne nennenswerte Steigung. Aber schon der zweite Tag hatte es in sich! Der Weg windet sich innerhalb 8,5 Kilometern kepler800 Meter in die Höhe. Erst als wir die Baumgrenze erreichen ist es nicht mehr ganz so steil und der Weg hört auf sich zu winden. Kurz darauf sind wir auch schon da bei unserer Berghütte, wo wir dann etwas entspannen können, ehe wir abends noch die nahegelegenen Höhlen angucken.
Den nächsten Tag wandern wir, bei recht windigem Wetter, immer oben auf den Bergen entlang. Kurz vor Ende des Tages geht es dann wieder zurück in den Wald, um dort zu übernachten.
kepler2Nach noch einem weiterem wandern durch den Wald, sind wir froh, dass wir es endlich geschafft haben! Glücklich und zu frieden kochen wir abends alle zusammen, ehe unsere Wege sich leider wieder trennen.
Von Te Anau fahren wir über Queenstown zum Lake Tekapo, einer der Haupttouristen Attraktionen in der Nähe von Mount Cook (höchster Berg Neuseelands). Sein unglaublich blaues Wasser sieht schon nahe zu künstlich aus und lockt unzählige Touristen jedes Jahr an. Wir können uns hier einen vielleicht fünfminütigen Aufenthalt und fahren weiter…tekapo
steineUnser nächster Stopp sind die Moeraki Boulders, dies sind eigentlich nur ein paar runde Steine, die am Strand liegen. Trotzdem sind sie irgendwie schön und haben gerade bei besonderen Lichtstimmungen einen gewissen Reiz. Leider war bei uns das Wetter eher so dürftig… Immerhin, wir waren da und haben auch unsere Fotos gemacht, wie jeder der anderen über hundert Touristen jeden Tag. Von hier geht es dann weiter in richtung Norden.
Als wir schließlich kurz vor Christchurch auf einer Brücke fahren, fängt es auf einmal komisch an zu wackeln… erst denken wir, dass es vielleicht an der Brücke liege oder an der Fahrbahn… aber doch plötzlich hört es wieder auf. Kurz darauf sehen wir am Himmel große Staubwolken aufziehen. Erstmal haben wir uns nicht so viel daraus gemacht, erst als wir kurze Zeit später hören, dass Christchurch, von einem Erdbeben der Stärke 5,7 erschüttert wurde, war uns klar, was passiert ist. Die Staubwolken, die wir gerade am Himmel gesehen haben, waren eingestürzte Klippen… Zum Glück ist niemandem etwas passiert.
Als wir schließlich in die Innenstadt von Christchurch kommen ist alles gesperrt. Alle Einkaufszentren sind evakuiert und Polizisten sicher alle öffentlichen Plätze und Gebäude ab.
Wir beschließen uns also dazu, erstmal unseren Campingplatz aufzusuchen und unser Zelt aufzubauen. Gerade sind wir damit fertig, wackelt die Erde ein weiteres Mal, ein Nachbeben der Stärke 4.
Total aufgeregt, aber auch etwas verängstig verbringen wir den Rest des Tages auf unserem Campingplatz, denn da kann uns wenigstens nichts auf den Kopf fallen.weg nach picton
Von hier aus geht es dann weiter, mit ein paar nicht unbedingt erwähnenswerten Stopps weiter nach Picton, wo wir dann wieder die Fähre auf die Nordinsel nehmen.

 

P.S. Ich glaube ab jetzt lassen sich die Fotos alle wieder vergrößern, hab das Problem gefunden und alle alten Artikel wurden überarbeitet.

Gesamtreisekilometer:77000

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Cherry Picking in Neuseeland – moderne Sklavenarbeit

Kurz vor fünf klingelt der Wecker, draußen ist es noch dunkel… Es dauert ein wenig, bis ich mich aus meinem warmen Bett wage… Auf den Flur sind schon Stimmen zu hören… Wie jeden Morgen zieh ich meine dreckigen Klamotten wieder an, sie stinken, haben Flecken und Löcher… Egal, ich muss mich beeilen! Total müde schleppe ich mich in die Küche, schmiere mir zwei oder drei Sandwichs für den Tag. Kurz danach löffel ich wie in Trance mein Müsli… Irgendwie bin ich gar nicht anwesend, alles in meinem Körper weigert sich… aber es hilft nichts!
Kurz vor sechs holt mich der Kleinbus von meiner Unterkunft ab, zusammen mit ungefähr zehn anderen sitze ich schweigend im Bus, einige schlafen noch, andere schlingen schnell die Reste ihres Frühstücks runter. Kaum angekommen umwickle ich meine beiden Zeigefinger und Daumen mit Tape… ansonsten wird es so schmerzhaft wie letzte Woche… blutende Finger, Reizungen und Entzündungen.
Als erstes melde ich mich dann bei meiner Aufseherin, sie fragt mich in Englisch nur: „Nummer?“… Schnell antworte ich: „1102“… Nach knapp zwei Wochen kann sie immer noch nicht meine Nummer und schon gar nicht meinen Namen.
Bevor es richtig los geht mache ich noch eine paar Markierungen auf meiner Stickerrolle und hole meinen „Picking frame“. Ein kleines Metallquadrat mit Bändern dran, das ich mir dann umlege – es gleicht irgendwie ein wenig einem Pferdegeschirr.
Es ist punkt sechs Uhr, unser Boss ruft zum Appell! Im Halbkreis versammeln sich jetzt über 100 Leute aus unterschiedlichsten Ländern um ihn… Im gebrochenen Englisch sagt er uns die „Bucket rate“ (also das was wir für einen 5kg Eimer bekommen), jeden Tag wird es weniger und jeden Tag gibt es neue zusätzliche Regeln… Ab sofort müssen wir alle Kirschen separieren, es dürfen keinerlei Paare mehr in unserem Eimer sein – Klasse, das raubt wieder mehr Zeit! Als nächstes ließt er noch ein paar Nummern vor, die noch da bleiben müssen… jedes Mal hofft man, dass die eigene Nummer nicht aufgerufen wird – bis jetzt hatte ich Glück, denn meistens bekommen diejenigen eine Verwarnung oder werden gefeuert. Dann verlässt der aus Indien stammende Mitvierziger die Bühne… Schnell greif ich mir eine der sieben – stufigen Leitern, diesmal hab ich Glück und habe eine der leichten Aluminiumleitern und nicht eine der schweren aus Eisen. Im Gänsemarsch mit der Leiter auf der Schulter laufen wir unseren Aufsehern hinterher zu unseren Bäumen. Jeder von uns bekommt einen Baum zugeteilt… Mittlerweile haben wir es mindestens fünf nach sechs, aber ich habe noch keinen Cent verdient – Bezahlt wird nämlich pro Eimer und nicht pro Stunde! Kaum hab ich einen der gelben, quadratischen Eimer in meinen „picking frame“ gesteckt, fange ich an zu pflücken. Langsam füllt er sich, es dürfen nur die heilen, dunklen Kirschen in den Eimer und zu klein dürfen sie auch nicht sein… Nach vielleicht 15 oder 20 Minuten habe ich meinen ersten Eimer fertig! So schnell es geht laufe ich zu einem der Aufseher… der sagt nur: „Sticker?“ Oh mist, wieder vergessen… In aller Eile kram ich meine Stickerrolle aus meiner Hosentasche, ziehe einen der Sticker ab und klebe sie auf meinen Eimer. Der Aufseher holt sein Scanner raus und scannt meinen Sticker, erst jetzt zählt er! Jeder weiß jetzt, dass ich den gemacht habe, denn auf meinem Sticker steht mein Name, meine Nummer und zusätzlich ist auch noch ein Barcode drauf um ihn zu scannen.
Irgendwann hab ich dann endlich den unteren Teil meines Baumes fertig, jetzt muss ich rauf auf die Leiter… ab jetzt dauert alles länger! Nach und nach bring ich immer wieder mal einen Eimer zum Scannen, aber wirklich voran geht es leider nicht…
Die ersten Eimer werden jetzt von einem Auto abgeholt und werden zu Packhaus gefahren, dort werden sie aber nicht nur verpackt, sondern auch noch mal kontrolliert und gescannt. Hoffentlich geht alles gut! Fällt nämlich ein Sticker auf dem Weg zu Packhaus ab, werde ich dafür nicht bezahlt… oder wenn sie etwas an meinem gepflückten Eimer etwas zu bemängelt haben, bekomme ich eine Verwahrung und werde für den Eimer nicht bezahlt.
Plötzlich ruft einer der Aufseher total unfreundlich von unten: „Ey, pass mal auf das du nicht so viele Blätter abreist!“ Ab jetzt muss ich ganz genau aufpassen, sonst gibt es nämlich richtig Ärger!
Zum Glück bin ich so gut wie fertig mit meinem Baum… Als ich dann endlich denke, mit dem Baum fertig zu sein, laufe ich zu einem der Aufseher, denn der muss ihn erstmal checken, ob er wirklich fertig ist… Drei Runden läuft er um den Baum, die Zeit läuft unaufhaltsam weiter, irgendwann kommt er dann zu der Entscheidung, dass ich ganz oben in der Spitze noch einen Ast vergessen habe… Es hilft nichts, wieder muss ich die Leiter neu platzieren und hinauf klettern. Immer wieder bleibe ich an Ästen hängen und zerkratze dabei meine Arme. Oben angekommen, angele ich mit einer Hand nach den Kirschen und mit der anderen halte ich mich irgendwie am Baum fest. Es ist zum Glück noch windstill, aber gegen Mittag wird sich das dann ändern! Dann muss ich aufpassen, das ich nicht die Leiter runterfalle… es wäre nicht das erste Mal, dass mir das passiert! Gerade erst vor ein paar Tagen, haben wir am Hang gearbeitet und als ich auf der zweitletzten Stufe stand, ist meine Leiter auf Grund der Schräge leider seitlich umgefallen. Mir ist nichts passiert, nur ein paar Kirschen sind verloren gegangen… alles was auf dem Boden liegt dürfen wir nämlich nicht mehr aufheben. Andere hatten da weniger Glück… mehrmals pro Woche fällt einer von der Leiter und besonders Pech hatte ein Mädchen aus Kroatien, sie viel von der aller letzten Stufe direkt in den Baum und landete am Ende mit dem Rücken zu erst auf dem Boden!
Als ich endlich auch den letzten Ast fertig habe, darf ich weiter. Ich greife mir also meine Leiter und renne die Reihe runter, bis ich dort schließlich einen neuen Baum zugewiesen bekomme. Dann beginnt das gleiche Spiel von vorne…
Die Aufseher patrouillieren immer wieder um uns her rum, hin und wieder werde ich sehr unfreundlich daraufhingewiesen meinen Eimer vorzuzeigen, ganz penibel wird dann geguckt, ob auch alles stimmt mit meinen Kirschen, also ob ich die Farben und Größen einhalte, so wie alle mit irgendwelchen Stellen aussortiert habe. Aber jedes Mal wird etwas gefunden, auch wenn es nur eine einzige Kirsche ist, sofort wird gleich ein rissen großes Fass aufgemacht… aber naja, ich verliere nur wieder Zeit.
So geht es dann eine gewisse Zeit, bis plötzlich meine Aufseherin, die vorher die Bäume verteilt hat, so laut sie kann „Pause“ schreit. Sofort müssen wir alles stehen und liegen lassen und uns aus unser Reihe begeben und wehe einer pflückt nur zwei Sekunden weiter, sofort wird er anpflaumt, dass er doch gefälligst aufhören solle zu arbeiten.
In der Pause sitz ich dann da und zähle meine Sticker… acht fehlen, also hab ich schon 8 Eimer fertig… dann wir gerechnet… heute gibt es 5 Dollar pro Eimer also hab ich schon 40 Dollar gemacht heute. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, aber das es schon 8:30 Uhr ist und die 15 Minuten Pause zieht mir auch wieder Geld… Die ist nämlich gesetzlich bezahlt, aber in unserem Fall ist sie schon in die „bucket rate“ eingerechnet – Natürlich… 40:2,75 = 14,55… Na toll, es reicht noch nicht mal für Mindestlohn, denn der gesetzliche Mindestlohn in Neuseeland liegt bei 14,75 Dollar (ca. 8,85 Euro) pro Stunde. Dann muss ich mich gleich ranhalten, um den zu schaffen! Falls ich es am Ende des Tages nicht schaffen sollte bekomme ich eine Verwarnung, zunächst eine mündlich und bei wieder auftreten eine schriftlich… falls man sich dann noch irgendeinen Fehler erlaubt, sei es nur das zu viele Blätter auf dem Boden liegen, fliegt man. Der Arbeitgeber muss nämlich den Mindestlohn zahlen und muss deshalb dein Gehalt aufstocken, bzw. sie müssen die Differenz bezahlen, die du nicht gepflückt hast und das kostet denen Geld… Sprich wenn du zu langsam bist, dann fliegst du!
Nach der Pause stehen wir so schnell es geht, wieder an unserem Baum, um keine Zeit zu verlieren. Ich pflücke so vor mich hin und gucke zu, wie im Block neben mir gespritzt wird, wie kleine Regentropfen legen sich die Pestizide auf die Haut und kratzen ziemlich in meinem Hals.
Irgendwann sind wir dann fertig mit unserem Block und müssen zu einem neuen wechseln, dafür tragen wir fast eine Viertelstunde unsere Leiter auf der Schulter… das ist nicht nur anstrengend, sondern es tut auch manchmal ganz schon weh. Bezahlt wird es meistens nicht! Im neuen Block geht es dann wie gewohnt weiter…
Irgendwann fängt einer an zu singen, einige stimmen mit ein… ein wenig gute Laune kommt auf, aber sie wehrt nicht lange, denn unser Boss taucht auf. Er geht zu den Aufsehern, sie tuscheln und lesen irgendwas vom Scanner ab. Schließlich schreit der Boss eine Nummer, irgendwo antwortet jemand verhalten mit „ja?!“. Zielstrebig läuft er zu der Person hin und sagt, dass sie gefeuert sei… es war die vierte Person heute! Bis jetzt ist noch kein Tag vergangen, an dem Niemand geflogen ist. Nach dem man gefeuert wurde, muss man aber noch zwei Stunden weiter arbeiten, dass ist nämlich unsere Kündigungsfrist… Falls man früher geht, muss man dafür Schadensersatz bezahlen!
Danach geht es weiter wie üblich, ich pflücke so schnell ich kann, schleppe Eimer für Eimer zu den Aufsehern… Ansonsten ist es still, niemand redet… also lausche ich den Gesprächen der Aufseher, vielleicht bekomme ich ja raus, wann wir frei haben (wir haben keine Ahnung, wann wir frei haben, es gibt quasi kein Wochenende)… aber wieder nichts, sie lästern nur wieder über einen, der nicht so gut Englisch kann und danach lachen sie über einen, der gestern von der Leiter gefallen ist.
Wie aus dem nichts schreit kommt dann wieder übliche Pausenschrei! Dann beginnt die Rechnerei erneut, bei mir sieht es jetzt besser aus, aber ein paar neben mir, haben sich schon fast aufgegeben.
Kurz nach der Pause sind die zwei Stunden Kündigungsfrist abgelaufen und einer der Kleinbusse fährt vor, die vier entlassenen Personen werden abtransportiert. Sie haben jetzt nicht nur ihren Job verloren, sondern auch ihre Unterkunft, denn die läuft auch über die Arbeit… Sie müssen sich also gleich ans Sachen packen machen.
Für mich geht es weiter, immer wieder werden Leute bloß gestellt und angeschrien… Dadurch, dass ich mittlerweile recht sicher im Englischen bin, reden sie mit mir immerhin nicht in Babysprache, so wie mit vielen anderen.
Irgendwann ist es dann 12:30 zeit für die Mittagspause!
Wirklich Ruhe haben wir nur leider auch hier nicht! In dem Block neben uns knallt es die ganze Zeit… sie schießen wieder Vögel ab. Ja, richtig, sie schießen Vögel ab, nur um mehr Profit zu machen! Wie alles in dieser Company dreht es sich nur um Profit, auf kosten aller anderer.
Nach der Pause wartet eine böse Überraschung auf uns, wir müssen wieder zurück in den alten Blog zurück, wo wir erst gestern waren… Zu viele Leute haben ihre Bäume nicht richtig abgepflückt – wahrscheinlich haben sie keinem Aufseher bescheid gesagt, zum kontrollieren. Das heißt, wir müssen jetzt wieder durch denselben Block, für denselben Preis pro Eimer – es gibt nur eben weniger Kirschen. Noch dazu kommt, dass wir jetzt jeden unserer Bäume mit einem unserer Sticker versehen müssen, tut man es nicht, bekommt man sofort eine Warnung. Doch selbst wenn man es tut, ist man nicht auf der sicheren Seite, denn unser Manager läuft hinter unserer Gruppe hinter her und checkt jeden Baum und wehe etwas passt ihm nicht!
Nach ungefähr 7,5 Stunden schreit plötzlich irgendjemand „last bucket“, ab jetzt dürfen wir nur noch unseren Eimer fertig machen, den wir gerade haben. Klasse, meiner war so gut wie voll! Ein paar andere hatten noch mehr Pech, sie sind gerade auf einen der Aufseher zu gerannt, als „last bucket“ geschrien wurde, aber auch sie dürfen keinen neuen mehr Anfangen, auch wenn sie es noch locker geschafft hätten, einen weiteren zu füllen.

Um drei Uhr sind wir dann endlich wieder in unserer Unterkunft, viel Zeit zum Ausruhen bleibt uns nicht, wir müssen leider noch einkaufen.
Mit ein paar Freunden stehen wir dann im Supermarkt und überlegen nicht nur, was wir kaufen, sondern auch für wie lange! Niemand weiß nämlich wie lange er oder sie noch da ist! Jeder Tag könnte der letzte Arbeitstag sein und dadurch, dass man auch gleich seine Unterkunft verliert, weiß man nicht, ob man noch einen Kühlschrank oder eine Küche hat für die nächsten Tage.
In der Regel kaufen wir trotzdem für ungefähr drei bis vier Tage ein, aber immer mindestens ein Gericht ist Nudeln, die könnte man zu Not länger aufheben und auf dem Gaskocher kochen.

Falls wir mal nicht einkaufen müssen, dann schlafen wir erstmal für ein paar Stunden nach der Arbeit!

Nach dem Abendessen sitzen wir dann mit unseren Freunden zusammen, spielen Karten oder quatschen einfach nur ein wenig.
Mit der Zeit haben immer mehr Leute angefangen Alkohol zu trinken, jeden Tag wird es mehr… erst war es nur ein oder zwei Bier pro Abend, mittlerweile sind es eher so sechs oder sieben. Ich glaube, somit versuchen sie den ganzen Stress zu verkraften!
Lang wird der Abend auch heute nicht, um neun Uhr ist schon wieder Zeit ins Bett zu gehen.
Wann wir frei haben wissen wir im übrigens auch nicht, mal arbeiten wir nur fünf Tage, aber manchmal auch elf am Stück… wann wir tatsächlich frei haben, erfahren wir am Tag vorher.

Am nächsten Morgen klingelt wieder der Wecker um kurz vor fünf, draußen regnet es etwas… trotzdem setze ich mich hin und löffel wieder wie in Trance mein Müsli. Kurz bevor ich wieder zum Van muss, bekomme ich eine SMS, unser Manager! Er schreibt, dass wir heute später anfangen, auf Grund des Wetters. Also lege ich mich wieder hin… nach ca. 30 Minuten bekomme ich wieder eine SMS, Arbeitsbeginn ist in 45 Minuten. Klasse, wieder aufstehen und anziehen… immerhin ging es diesmal schnell, manchmal kommt die SMS, wann wir anfangen auch erst nach ein paar Stunden. In dieser Zeit kann man nichts machen, denn muss abrufbereit sein, um innerhalb der nächsten halben Stunde anfangen zu können.
Noch schlimmer ist es jedoch, wenn es während der Arbeitszeit anfängt zu regnen, dann werden wir nämlich wieder zurück in die Unterkunft gefahren und müssen da solange ausharren, bis es wieder aufhört zu regnen und wir die SMS bekommen, dass wir wieder zur Arbeit kommen sollen. Mit anderen Worten, der ganze Tag ist dann ruiniert und obwohl wir in der Wartezeit nahe zu nichts machen können, ist sie natürlich unbezahlt.

Mittlerweile sind wir schon sieben Wochen hier! Viele sind gegangen und viele Neue sind gekommen, aber es hat sich tatsächlich ein ganz klein bisschen was verändert!
Nachdem die Preise pro Eimer so tief gefallen sind, dass es fast nicht mal mehr möglich war den Mindestlohn zu erreichen, sind wir auf die Barrikaden gegangen! Erst haben wir es über Gespräche mit unserem Manager versucht, aber der ist bloß ein Strohmann vom Besitzer. Also haben wir einen Brief an den Besitzer geschrieben, den dann jeder, wirklich jeder, unterschrieben hat. Im Hintergrund haben wir schon über „Facebook“ einen eventuellen Streik organisiert… doch dazu ist es schließlich doch nicht gekommen.
Nachdem Gespräch mit dem sehr unfreundlichen, eingebildeten und profitgeilen Besitzer (wie gut das er kein Deutsch spricht und das hier auch sehr wahrscheinlich nicht lesen wird) wurde der Preis pro Eimer etwas besser und mittlerweile hatten wir auch die Aufseher auf unserer Seite, sie reden jetzt normal mit uns und stehen voll hinter uns. Einer der Aufseher arbeitet schon seit fast sieben Jahren in der Orchard (dt. Fruchtplantage) und hat auf Grund der immer schlechter werdenden Arbeitsbedingungen für die Pflücker gekündigt, ihm passt einfach nicht mehr, was hier veranstaltet wird – Er sagt, dass er nicht mehr Teil dieses Systems sein möchte.

Nur in der „Chefetage“ läuft immer noch der gleiche Mist ab! Bis heute werden fast jeden Tag Leute gefeuert und um Geld zu sparen gibt es jetzt eine neue Masche! Es werden regelmäßig einfach Eimer „vergessen“… sprich ich habe eigentlich 30 Eimer gepflückt, aber bezahlt werde ich nur für 28. Mir viel das schnell auf und sofort habe ich mich beschwert, ohne Erfolg, denn ich kann nicht beweisen, dass ich die Eimer tatsächlich gepflückt habe. Irgendwann hatte ich dann alleine in einer Woche acht Eimer (44 Dollar) die mir fehlen, aber auch nach langem hin und her gab es keine wieder. Also habe ich jetzt angefangen jeden Tag die Uhrzeiten aufzuschreiben, wenn ich einen Eimer abgegeben habe und habe nach der Arbeit meinem Manager geschrieben, wie viele Eimer ich gepflückt habe. Seit dem fehlen deutlich weniger Eimer, dafür bei anderen aber noch mehr!
Irgendwann habe ich es sogar geschafft, dass ich ein paar Eimer wieder bekommen habe… aber die Freude währte nicht besonders lange! Ein paar Tage später wird morgens meine Nummer aufgerufen und mir wurden auf Grund schlechter Qualität vier Eimer wieder abgezogen! Was ich falsch gemacht habe konnte mir niemand sagen, auch prüfen kann man nichts, denn die Eimer sind schon lange nicht mehr da… sie wurden schon am Vortag aussortiert, verpackt und verschickt.
Auch um eine Warnung bin ich nicht herum gekommen, aber das war ein anderer Tag… ich hatte in einem Eimer fünf Kirschen ohne Stiel… genau fünf von vielleicht drei oder vierhundert!

Doch sobald die Hauptsaison vorbei war vielen die Preise auch wieder, denn jetzt brauchen sie nicht mehr so viele Arbeiter! Durch den Regen sind viele Kirschen kaputt, aber trotzdem müssen wir zu unglaublich niedrigen Preisen noch mal durch die Reihen, um die letzten heilen Kirschen zu finden! Der Druck nimmt zudem auch immer mehr zu, jeden Tag werden bestimmt 10 – 20 Leute aufgerufen, denen Eimer abgezogen bekommen, die Verwarnungen erhalten oder gefeuert werden. Vor versammelter Mannschaft wir an diesen Personen ein Exempel statuiert, um die anderen noch mehr einzuschüchtern. Jeden Morgen wieder hoffe ich, dass meine Nummer nicht dabei ist…

Die Saison ist eigentlich so gut wie vorbei, wir müssen jetzt nur noch den letzten Mist irgendwie, irgendwo, zu niedrigen Preisen finden… es ist fast unmöglich den Mindestlohn zu erreichen und dadurch, dass man sich so unglaublich beeilen muss, passieren Fehler! Aber warum das Ganze?! Ganz einfach, damit wir gefeuert werden können und sie uns somit nicht unseren „Seasonbonus“ zahlen müssen!
Auch wann die Saison vorbei ist erfahren wir nicht… das wir uns am Tag vorher verraten!

Ach ja auch das alljährliche Mitarbeitergrillen fällt dieses Jahr aus, denn dem Besitzer gefallen die Pflücker dieses Jahr nicht!

Egal, ein paar Tage nur noch… denke ich mal… und dann ist es endlich vorbei! Ob ich meinen Bonus tatsächlich erhalte bezweifele ich noch, aber wir werden sehen…
Danach brechen wir dann auf und bereisen ein wenig Neuseeland und den Rest der Welt – endlich!!!

Kategorien: Cherry picking - moderne Sklavenarbeit, Südinsel | Hinterlasse einen Kommentar

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